Goldene Konfirmation – Teil I: Theorie

In dieser neu eröffneten Reihe in meinem kleinen Blog möchte ich den interessierten Leser in die Geheimnisse der Hamburger Provinz einweihen. Es sei erwähnt, daß es sich dabei um die östliche Hamburger Provinz handelt, dem Stadtteil Bergedorf zuzuschlagen, doch als eigenständige kulturelle Einheit zu betrachten.

Heute wollen wir also dem für Außenstehende schwer zu verstehenden Ritual der "Goldenen Konfirmation" auf den Grund gehen. Wie der Name schon induziert, ist hier ein sogenanntes "Goldjubiläum", also ein fünfzigjähriges, der Konfirmation zu zelebrieren. Im Grunde liegt hier auch schon die gesamte Sinnlosigkeit des Tuns verborgen. Denn es gibt einen zentralen qualitativen Unterschied zu anderen, auch außerhalb des betrachteten Fleckchens Erde begangenen Goldjubiläen. Während man insbesondere bei der Goldhochzeit es geschafft hat, irgendwann aus eigenem Antrieb zu heiraten und davon 50 Jahre nicht abgeschworen hat und auch sonst das Glück hatte, so alt zu werden, ist es hier schließlich Standard, mit 15 oder 16 konfirmiert zu werden. Man wird konfirmiert aus Konformität (man beachte auch die etymologische Ähnlichkeit), trifft sich im "Konfi" (nebenbei meine schwersten Stunden, da ich große Teile der hiesigen Dorfjugend haßte, was auf Gegenseitigkeit beruhte, andere Teile schienen schlicht von vollkommen anderen Planeten zu kommen), steckt sich am großen Tag ein Maiglöckchen an, kauft sich ein Kleid, für das man noch nicht die nötigen Formen besitzt, um es auszufüllen (ok, das war eher ein persönliches Problem), feiert auf Sponsoring der Eltern mit einem von ihnen gestellten Alleinunterhalter mit einem Keyboard – und kriegt ziemlich viel Kohle geschenkt. So manches Moped wurde komplett vom lieben Gott gesponsert. Aber wir schweifen ab. Kurzum: Konfirmation ist nichts besonderes in dieser Gegend. Somit hat jeder, der ca. das 65. bis 66. Lebensjahr erreicht, die Ehre, das Fest der Goldkonfirmation zu begehen. Man könnte es also komplett in einem Abwasch mit dem entsprechenden Geburtstag erledigen. Tut man aber nicht, was das Problem darstellt.

Jährt sich also der Ehrentag, trifft man sich zunächst in der Kirche, um dort in Erinnerungen zu schwelgen. Solche Zeremonien scheinen beliebt zu sein, erst kürzlich wurde mir zugetragen, daß es auch bei Goldhochzeiten durchaus üblich sei, sich erneut in einen Gottesdienst einzufinden. Dort würde dann auch gleich noch mal die gesamte Trauzeremonie nachgespielt. Meine Frage, ob man bei dieser Gelegenheit das einmal gegebene Versprechen evtl. revidieren könne oder auch nur leicht modifizieren ("Äh, könnte ich vielleicht auch die knackige Blonde da in der dritten Reihe nehmen?") blieb jedoch unbeantwortet.
Während dieser Zeremonie setzt der bedenklichste Teil des Treibens ein, nämlich die Kartenübermittlung. Schon Wochen vor dem Fest werden in ortsansässigen Läden entsprechende Glückwunschkarten in rauhen Mengen feilgeboten. Damit eingedeckt und diese beschriftet schnappt man sich nun irgendein Kleinkind. Während man dann mit dem Wagen von einer Behausung eines Goldkonfirmanden zur nächsten fährt, setzt man das Kind immer wieder aus, drückt ihm die Karte in die Hand, schickt es zur Tür, wo es diese vollkommen verängstigt abgibt und zum weltlichen Lohn seiner Mühen eine Tafel Schokolade in die Hand gedrückt bekommt. Dieser Part – also verstörten kleinen Kindern Karten aus der Hand zu reißen und in die geöffneten Fingerchen Schokolade reinzudrücken – wird dann morgen mein Job sein. Gelegentlich kommen auch Erwachsene (falls eben gerade kein Kleinkind zur Hand), die früher einen Kurzen (regional für: Schnaps in kleinen Flaschen, besonders beliebt sind kleine Feiglinge und Apfelkorn) bekamen und jetzt aber auch Schokolade. Zunächst war der Plan meiner Eltern, bei Leuten, die so taten, als würden sie unserer Familie irgendwie nahe stehen, diese reinzubitten und ihnen Kaffee einzuflößen. So seh ich aus, oder? Sollen die sich ihren Kaffee gefälligst selbst brühen. Hier wird abgegeben, kassiert und abgeschoben.

Doch dazu mehr im zweiten Teil, wenn es heißt: Praxis der Goldkonfirmation am Beispiel meiner Mutter.

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10 Antworten zu Goldene Konfirmation – Teil I: Theorie

  1. Sophie schreibt:

    Oh, ganz übler Brauch. Aber auch in der niedersächsischen Provinz durchaus Gang und Gäbe oder Gebe. Das mit den Karten und der Schokolade kannte ich allerdings nicht. Die speziellen Karten habe ich aber auch schon in Geschäften gesehen.

    Meine Tante bemüht sich zu ihrer Goldenen Konfirmation sogar extra aus England her! Am schlimmsten ist es doch aber, dass ja bereits die Konfirmation ein verlogenes Event ist, wie du es ja in deinem Text bereits hervorblitzen lässt. Alle wollen die Kohle. War vielleicht früher noch nicht so krass, aber früher „machte man das eben“. An Gott glauben? Bitte! Wer tut das schon in letzter Konsequenz? Vielleicht wenns um das Leben nach dem Tod geht. Aber viel mehr auch nicht. Sicher auch nicht die meisten Goldenen Konfirmanden. Und diese verlogene Feier muss dann noch mal gefeiert werden??? Näh.

    Nun gut, ich bin auch konfirmiert, aber mit 14 Jahren ist man ja noch gutgläubig und denkt, Ach, da kommt schon irgendwas Gutes bei raus. Heute weiß man es ja besser.

  2. Miss Sophie schreibt:

    Meine Mutter hat heute jedenfalls schon an die zwanzig von diesen geilen Karten bekommen. Und in keiner einzigen war Kohle drin. Nur in einer ein Friseurgutschein über 5 Euro. Dafür bekommt man vielleicht einmal über den Kopf gebürstet.

    Das mit dem Feiern ist ja das Problem, da wird es morgen ganz groß abgehen. Und das wird sooooo laaaangweilig werden. Nur unsere blöden Nachbarn und so. Ich würd am liebsten gleich nach dem Essen gehen. Ich nehm mir aber Zettel und Stift mit und schreib die blödesten Aussprüche meiner Mitmenschen ausführlich und unauffällig auf. Neulich auf einem Geburtstag sagte erst jemand: „Die besten Nachrichten sind jedenfalls die um halb sieben auf SAT 1“. Dem ist nichts hinzuzufügen.

  3. Sophie schreibt:

    Friseurgutschein! Dorfleute sind so herrlich pragmatisch. Und immun gegen jegliche Ironie oder gar Zynismus.

    Die verbalen Klopper aufzuschreiben, ist eine äußerst brillante Idee. Das mach ich auch, wenn meine Mutter 60 wird. Was auch ziemlich ätzend ist an solchen Feiern: Diese Frage, die einem ständig mehr oder weniger direkt gestellt wird.

    Mein Cousin, der blöde Sack, hat sich noch rechtzeitig eine Ische angelacht (angelacht ist auch so ein schönes Dorf-Wort).

  4. Miss Sophie schreibt:

    Natürlich ein Friseurgutschein. Das ist besser als ein Gutschein für Magda Lahanns Geschenke-Ecke, wo eine Kerze noch das Sinnvollste ist, was man wegschleppen kann. Oder ein Gästehandtuch in Stiefmütterchen-Optik.

    Ische ist so ein schönes Stadt-Wort. Wenn mich irgendwer fragt, ob ich „einen kleinen Freund“ („’n lütten Fründ“) habe, schreie ich und fahre nach Hause. Ich schwör. Mein Cousin ist genauso unverpartnert wie ich. Meine Tante fragt also schon mal nicht danach.

  5. Sophie schreibt:

    Och Menno, schon wieder Kommentar weg. Jetzt hatte ich ihn extra kopiert, aber natürlich in der Zwischenzeit schon wieder irgendeinen Link kopiert… Oder ist der bei dir etwas auch als Spam eingeordnet worden???

    Bevor ich jetzt Cache und Zwischenablage durchforste, noch mal die Kurzfassung: Die neue Freundin meines Counsins ist so alt wie ich, und das macht mir Sorgen, weil mir dann meine traditionelle und im allgemeinen nicht unvorteilhafte Nesthäkchen-Rolle gestohlen wird. Außerdem ist sie Gebiets-Vertriebleiterin oder so im selben Unternehmen wie mein Cousin, also scheint ja, im Gegensatz zu mir, einen Studienabschluss und eine Karriere zu haben. Und wenn sie nun auch noch hübscher und netter ist als ich?? Und alle sie viel lieber mögen als mich? Außerdem muss ich mich bestimmt mit ihr unterhalten. Das will ich aber nicht! Ich mag sie jetzt schon nicht. Blöde Kuh.

    Ich bin neurotisch – Stadt-Neurotiker?! 😉

    Gut dass dein Cousin keine Freundin hat. Echt gut.

  6. Miss Sophie schreibt:

    Nö, bei mir war nix im Spam und auch nichts „waiting for moderation“. Muß ein bißchen an Dir liegen 😉
    Kann ich gut verstehen, das mit der neuen Freundin. Wie alt ist denn Dein Cousin? Meiner ist auch noch genauso alt wie ich. Aber vielleicht ist sie ja wirklich ganz nett. Na, muß ich gerade sagen. Ich kann mich auch schon ganz toll auf Leute einschießen, bevor ich sie das erste Mal gesehen habe. Aber ich kann meine Meinung dann auch ziemlich schnell ändern. Ist der Cousin eigentlich der Audi-Supermarkt-Leiter-Typ?
    Anmerkung: Nachdem meine Eltern um 8.45 Uhr das Hause verlassen haben, um die besten Plätze in der Kirche zu ergattern, stand hier um 9.10 Uhr der erste Bursche auf der Matte. Ich hatte gerade meinen Lidstrich fertig gezogen. Na, nicht ganz. Aber ich hatte mir noch nicht mal die Brille geputzt. Die Jugend von heute scheint zu den Frühaufstehern zu gehören. Immerhin haben wir jetzt schon die erste Mettwurst!

  7. Sophie schreibt:

    Mettwurst! Das ist ja noch besser als der Friseurgutschein. Als nächstes gibt’s ein halbes Schwein…

    Mein Cousin ist 7 Jahre älter als ich, wird also 32 dieses Jahr. Und dieser Supermarkt-Typ ist er. Ich mag seine neue Freundin nicht. Basta. Werde ich ihr auch zeigen… (Na ja, wahrscheinlich nicht.) Bestimmt hat sie irgendein schickes Kostümchen an. Mist, dabei wollte ich mich nicht besonders aufstylen…

    Welcher Style ist bei einer Goldenen Konfirmation angesagt?

  8. Miss Sophie schreibt:

    Ne, wohl kein Schwein. Jetzt ist es schon nach 12, da kommen nicht mehr viele. Die Schoki ist auch fast komplett verteilt. Toll.

    Ich werd mir heute nachmittag ein Röckchen anziehen, eben jenes, das nach der Kur bei der Änderungschneiderin nun doch noch tragbar geworden ist. Ein richtiges Kostümchen oder einen Hosenanzug fände ich dann aber auch wieder etwas übertrieben. Mein Bruder war grad da, um unser gemeinsames Geschenk für unsere Mama (Gartenbank) aufzubauen, der hat auch gleich besorgt gefragt, wie lange das denn wohl so dauern würde mit dem Feiern. Meine Eltern meinten aber, ich dürfte gehen, wenn mein Bruder geht, also können wir ja einfach gehen, wenn uns lahm ist. Trotzdem sitzen wir da bestimmt ewig fest…

  9. Sophie schreibt:

    Ein weiterer Grund, warum ich nie Kinder haben will. Was schenken die einem? Eine Gartenbank! Nicht dass das ein doofes Geschenk ist, find ich ganz gut eigentlich. Aber während man jetzt irgendwie auch mal so Sachen geschenkt bekommt, die einfach nur süß sind oder mehr eine postmaterialistische denn eine materielle Bedeutung haben, kriegt man später nur Sachen, die man auch braucht, und das heißt, man hätte sie sich auch so gekauft. Aber jetzt kriegt man sie halt geschenkt.

    Meine Mutter kriegt Fenster zum Geburtstag. Fenster! Die auf der Wetterseite des Hauses sind nämlich nicht mehr so schön.

  10. Miss Sophie schreibt:

    Och, meine Familie ist total materialistisch, mich selbst eingenommen. Ich mach mir nicht viel aus so selbstgebastelten Sachen oder anderen idealistischen Geschenken. Wobei es natürlich auch praktische selbstgebastelte Sachen gibt, das wäre dann wieder ok. Aber so Fotocollagen etc. sind nicht mein Ding. Meistens finde ich die nicht hübsch und dann muß ich sie trotzdem irgendwo in Sichtweite aufhängen. Das wissen meine Freunde aber mittlerweile ganz genau und schenken mir praktische Sachen. So merke ich auch gar nicht, daß ich alt werde und brauche mir keine Kinder anschaffen.

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